In seinem 1975 veröffentlichten Buch “Die Zweierbeziehung” entwickelte Jürg Willi das heute weltweit bekannte Kollusionskonzept. Damit meint er das unbewusste neurotische Zusammenspiel eines Paares, was soviel bedeutet wie ein unausgesprochenes Einvernehmen der Partner, sozusagen ein “geheimes Einverständnis”.
Eine eingespielte Beziehung hat ihr Muster, jeder der Partner findet seinen Platz. Und ein Paar findet Grenzen. Grenzen haben in einem System und somit auch in einer Zweierbeziehung einen hohen Stellenwert. Zum einen eine Innengrenze (die Partner grenzen sich voneinander ab) und zum anderen eine Außengrenze (so grenzt sich das Paar gegenüber anderen Personen ab).
Eine gesunde Beziehung zeichnet sich durch klare Außengrenzen ab. Die Beziehung der Partner zueinander hat etwas typisches für dieses Paar. Die Partner fühlen sich als Paar und gestalten gemeinsam ihr Leben. Zugleich sind sie auch innerhalb der Beziehung klar voneinander unterschieden und individuell, was sie gegenseitig respektieren. Ansonsten können zwei andere Arten von Beziehungen unterschieden werden:
Paare mit starren Innengrenzen und diffusen Außengrenzen. Diese errichten häufig aus Angst vor Selbstverlust und zu großer Intimität einen Schutzwall zwischen sich. Verbindungen zu außenstehenden Personen sichern zusätzlich die Abgrenzung gegenüber dem Partner.
Außerdem gibt es Paare mit diffusen Innengrenzen und starren Außengrenzen. Die totale Symbiose wird angestrebt. Auf Dauer überfordert diese unrealistische Erwartung die Partner.
In Paardynamiken pendelt sich laut Willi auf die Dauer eine “Gleichwertigkeitsbalance” ein. Oft scheint es auf den ersten Blick so, als gäbe es einen Herrscher und einen Beherrschten, oder einen Sieger und einen Besiegten. Oft werden (unbewusst) subtile, manipulative Mittel eingesetzt, um den Partner zu beherrschen. Wird eine Gleichwertigkeit z.B. durch einen scheinbaren Sieg eines Partners im Streit gestört, hat der vermeintlich Besiegte wiederum die Möglichkeit, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Subtil oder destruktiv (z.B. Weinen, Davonlaufen, Alkoholrausch, …). Und schon beherrscht der scheinbar Schwächere den scheinbar Stärkeren.
Vereinfacht gibt es laut Willi vier Grundthemen, mit denen sich jedes Paar bei der Gestaltung ihrer Beziehung auseinander zu setzen hat:
- Die Narzisstische Kollusion
- Entwicklung von Selbstständigkeit/Selbstwertgefühl <–> Verwirklichung durch den Partner
- Die Orale Kollusion
- Ausmaß und Verteilung von Fürsorge, Helfen und Übernahme von Verantwortung für den Anderen
- Die Anale Kollusion
- Beherrschung, Kontrolle, Macht <–> Abhängigkeit und passive Hingabe
- Die Phallische Kollusion
- Klassische Geschlechterrollen <–> entgegengesetzte Tendenzen
Der Begriff Kollusion meint, dass bei beiden Partnern ein gleichartiger unbewältigter Grundkonflikt besteht, der von einem regressiv und vom anderen progressiv ausgetragen wird. Es entsteht der Eindruck, dass der eine Partner geradezu das Gegenteil des anderen ist, dabei handelt es sich lediglich um zweo Pole der gleichen Thematik. Diese Rollenverteilung bewirkt einen Teufelskreis, eine Verklammerung der Partner. Jeder hofft durch den Anderen von seinem Grundkonflikt erlöst zu werden.
Oft entwickeln sich immer extremere Positionen der Partner. Auf Dauer kann der Progressive nicht ertragen, dem Partner jene regressive Befriedigung zu geben, die er sich selbst versagt. Der Regressive kann den Partner nicht mehr leiden, weil ihn das Angewiesensein auf dessen Hilfe kränkt. So schlägt das Zusammenspiel der Partner in eine destruktive Kollusion um. Das, was anfangs die Anziehung der Partner bewirkt hat, wird schließlich zur Ursache des Konfliktes.
Das Konzept von Willi ist psychoanalytisch, beinhaltet jedoch ebenso verhaltenstherapeutische und systemisch-familientherapeutische Verfahren.
Ist eine Partnerschaft aus dem Lot geraten, ist ein Ziel das Einspielen eines flexiblen Gleichgewichts. Beispielsweise durch eine Paarberatung oder Paartherapie können die Kollusionsthemen zu einer beidseitigen Bereicherung werden.